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SPUREN



SPUREN

Gefunden ausgewählt aufgenommen gesammelt und
Nachgeformt oder neugeformt, gefärbt und ausgetrocknet.
Arbeitsgänge, die wiederum Spuren hinterlassen, Spuren in den Spuren und Spuren der Spuren.
Die wiederum gesehen aufgenommen ausgeschnitten
Und schließlich hier ausgestellt werden.
Herausgestellt werden, vorgestellt:
Vor das, was Spuren hinterläßt, Maschine Tier Mensch Gott, was in den Spuren lesbar wäre, vor das, worauf die Spuren verweisen.
Arbeit, die Spuren herausstellt, aus der Linie der Zeit in die Ungleichzeitigkeit. Denn die zweispurige Gangart muß nie gegangen worden sein. Nichts, worauf die Spuren zurückzuführen sind, muß sie hinterlassen haben.
Verweis, der die Spuren etwas Vergagenem verschreibt, das nachträglich als Vorgängiges konstruiert wurde.
Ähnlich strukturiert wie Schrift und Gedächnis. Diese Arbeit an der Vergangenheit wäre Abarbeitung eines Ursprünglichen, Lesbaren, des Sinns durch Vergegenwärtigung eines diffusen Assoziationskonglomme- rats: Ergänzung oder Zusatz, verausgabt sich, überflüssig. Das Flüssige ist bewahrt in dem, was sich hier, trocknend, verfestigt hat:
Spuren wie Weilen sind sich wiederholende Differenzen in einer Substanz. Form und Material begrenzen sie nicht zu Gegenständen, sie ergeben keine Objekte. Sie stellen nicht fest, zielen auf kein positives Wissen. Vollenden sich nicht.
Vollziehen sich nicht in der Gegenwart, beziehen sich nicht auf sie. Schieben Präsentisches auf. Unendlich. Unbeweglich geben die Bilder der Spuren nur Ausschnitte zu sehen. Sind nicht wie ein Fries oder Kreise endlos, keine abbildende Vergegenwärtigung. Lassen uns aber uns ein Bild machen, von nie Gesehenem etwa oder aus unvordenklichen Zeiten.
Die Spuren sind auch nicht Teil, bemessen sich an keinem Ganzen. Als Fragmente unternehmen sie Schritte ins Unendliche. Im Fragment wirft sich die Utopie einer Unendlichkeit auf, die nicht ihren eigenen Spuren folge und nicht bei sich ankomme.
Einmal aber könnte der menschliche Körper, assoziierte Endlichkeit, aus der Spur ein Objekt machen.
Endlich auch die möglichen und wirklichen Prozesse ihres Enstehens. Der Ausschnitt schneidet nicht ab. Die Spuren, ihre Einschreibungen schreiben nicht fest. Kein marmornes Meisterwerk vervollkommnete sich, vollendete die Kunst.Ausdruckssüchtig hat einer andere Spuren hinterlassen. Spuren als Eindruck, als Abdrücke, als Spuren, Ohne Position. Nimmt sie nicht ein. Sichert sie nicht ab'.' Bietet Spuren als Fragliche an, noch vor dem Objekt oder zu lange danach. Das Fragliche, das nie zu Wort kommt, von Worten verstellt auch nicht gewagt wird.
Er fängt nur sich selbst noch im Wagen, spurt den Weg seiner künstlerischen Arbeit. Diese Spur gibt Ahnung, was es heißt, den Sinn zu verstellen.
Die Gewalt ist nicht seine Gewalt - die Risse und Sprünge, die am Werk sind. Mit der Austrocknung beginnt die Wüste.
Aus dem sich in Dürre verlierenden Sinn treten die Spuren hervor. Wir sehen sie als Zeichen.
Lesen in einer zurückgebliebenen Hülle: Cocon. Dort hat sich unvorstellbar verstellt, metamorphotisch das flatternde Leben entworfen?
Folgen wir den Spuren sind sie der Weg. Auch Weg von Spuren zu Spuren, vom Gips zum Tuch zur Wüste:
terra inkognita, die Rückseite der Spur, Ausschnitt einer Wüstenlandschaft: maßlos, ohne Orientierungspunkte. Ihr Rahmen ist Zeichen von Grenzenlosigkeit. Darunter wie herausgefallen eine Spur Die Verwüstung ertrocknet Spuren Wege Zeichen, gehaltene Fülle. Dem wandernden Blick ist jede Spur Weg fremdes Zeichen Irrweg. Er verfällt an sie, wird fragmentarisch.


Jadja Wolf, 1996

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